Wie es wirklich ist, das Abitur in Zeiten einer Gesundheitskrise zu machen
von Gwana Hasso
Das Abitur. Für die meisten ein Ende und gleichzeitig der Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Die Vorstellungen, das Abiturzeugnis in der Hand zu halten, während Gedanken an den nun ermöglichten Traumweg einem ein Lächeln auf dem Gesicht zaubern und unseren Augen ein helles Strahlen verleihen, bilden für viele Schülerinnen und Schüler eine Motivation. Abend auf dem Sofa zu sitzen und nach einem anstrengenden Lerntag an den Abiball denken und sich das Ganze so realistisch vorstellen als sei es ein Theaterstück, das gerade vorgeführt wird.
Aber dann. Ein Virus, das so viele Änderung mitbringt. Es beginnt in einer Stadt, verbreitet sich im ganzen Land und ist nur ein paar Monate später auf der ganzen Welt. Es führt dazu, dass Änderungen stattfinden und der normale Alltag zu einer schrecklichen Realität wird.
Zu diesen Veränderungen zählen auch diese, welche die Abiturienten zur Zeit erleben. Sie erzählen in diesem Artikel, wie sie sich ihr Abitur vorgestellt hatten und wie es nun ist. Die Schwierigkeiten und Herausforderungen werden größer.
Finn Görtz, 18.
Am Anfang hat glaube ich keiner gedacht, dass es soweit kommt. Man hörte von einer Krankheit, die vorerst nur in Asien auftrat. Schon vor den Sommerferien hat man aber an das eigene Abitur gedacht und vor allem nach dem 2. Lockdown habe ich es richtig realisiert und mir ist klar geworden, dass mich das auch betrifft.
Mit dem generellen Abitur hat sich nicht viel verändert. Wir sind der erste Jahrgang mit verlängerten Klausurzeiten und haben als Zugeständnis durch Corona in vielen Fächern eine Klausur mehr zur Auswahl, beziehungsweise kann der Lehrer die Aufgaben besser sichten und auswählen. Das, was sich natürlich geändert hat und was ich mir auch anders vorgestellt habe an dem normalen Abitur, ist das ganze „Drumherum“. Keine Leistungskurs- Fahrt, keine Mottowoche zumindest nicht im herkömmlichen Sinne, kein Chaos- Tag oder eine Verabschiedung durch den Bürgermeister und keinen Abiball. Die Dinge wünscht man sich natürlich schon als Abiturient. Ich persönlich hätte zumindest die Lk- Fahrt, Mottowoche und den Chaos- Tag gerne miterlebt.
Mein Alltag ist recht eintönig. Da die freizeitlichen Möglichkeiten momentan noch eingeschränkt sind, beschränkt sich die meiste Zeit auf das Lernen und andere noch mögliche Ablenkungs- und Erholungsmöglichkeiten davon. Ich habe auch relativ viel Glück mit dieser Situation, da ich sehr gut auch im Homeschooling mitgekommen bin und dort zumindest bei mir keine Defizite im Bereich der Inhalte und Kompetenzen sehe und somit ich auch nicht das Empfinden habe, schlecht auf das Abitur vorbereitet zu sein. Da mag ich jetzt Glück haben, aber ich weiß von vielen anderen Mitschülern, dass es bei ihnen nicht so ist.
Am meisten fehlt mir der Vereinssport und generell die Möglichkeiten sich in sportlichen Einrichtungen zu bewegen. Auch wäre es bald mal wieder schön vollständige Gesichter in der Öffentlichkeit und im Freundeskreis zu sehen.
Ich glaube, das Abitur wird für meine Stufe vielleicht ein wenig stressiger und schwieriger, aber immerhin haben wir dann bewiesen, dass wir auch und selbst mit so einer Situation umgehen können.
Jale Can, 17
Ich weiß noch, dass mein allererster Impuls, als ich von dem Lockdown mitbekommen habe, Folgender war: „Die paar Wochen Schule kannst du einfach nach dem Lockdown nachholen und es ist doch gut für die Umwelt, wenn endlich weniger Menschen Auto fahren.“ Am Anfang hätte glaube ich niemand absehen können, wie sich diese Krise entwickeln wird. Erst im Laufe des letzten Jahres, Dank den wissenschaftlichen Erkenntnissen, Forschungen und Modellierungen, habe ich einen sehr kleinen Teil dieser Pandemie verstehen können.
Vor Corona hatte ich eine fast schon romantisierte Vorstellung von meiner Abiturphase. Mit Freunden in der Bibliothek sich über die abiturrelevanten (und nicht abiturrelevanten :)) Themen austauschen, den Zeit- und Lernplan genau einhalten, viel warmen Tee dazu trinken, Inhalte durch Fleiß, Wiederholung und Übung verstehen und letztlich gut vorbereitet in die Abiturprüfung gehen.
Egal welche glorifizierte Bezeichnung sich die Politiker*innen für das Homeschooling ausdenken: Es hat definitiv nicht so funktioniert, wie es hätte sein sollen. Meinen ursprünglichen Vorstellungen versuche ich nun mit einem halbwegs ordentlichen Schreibtisch, durch Komprimierung der Inhalte, mit dann bereits kaltem Tee, “study with me“ Videos auf YouTube und mit Zoom Meetings in Lerngruppen entgegenzukommen.
Mein Alltag gestaltet sich nun monoton und eher langweilig. Neben Schule, Lernen, spazieren gehen, Podcast hören und Musik hören ist da momentan nicht viel drin. Am Meisten fehlen mir die Treffen mit den Freunden.
Ich denke nicht, dass es das Paradebeispiel gibt, wie mit dieser Situation umzugehen ist. Wir alle sind mit unterschiedlichen Problemen und Herausforderungen konfrontiert worden und wir alle konnten unterschiedlich gut oder schlecht damit umgehen. Auch ich bin manchmal frustriert und auch ich habe einige Bedanken – wie wir alle – was normal ist. Ich versuche mich, über die Inkompetenz einiger Politiker*innen nicht zu sehr aufzuregen (was sehr schwierig ist) und das Beste aus der Situation rauszuholen.
Amelie Wille, 17
Am Anfang des Virus hatten wir ja zunächst 2 Wochen vor den Osterferien frei. Man war überrascht und verwirrt, weil man damit nicht gerechnet hätte, aber man hat sich ja auch irgendwo gefreut, dass man nicht in die Schule muss (Wer hat schon nicht gerne mal 2 Wochen extra Ferien?) Als man dann aber nach den Ferien immer noch zuhause bleiben musste, hat man sich langsam Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll. Wie wird der Sommer? Wann darf ich mich wieder mit all meinen Freunden treffen? Aber natürlich auch: Wann kann ich wieder in die Schule? Wird unser Abi normal ablaufen? Ich war mir zu dem Zeitpunkt allerdings recht sicher, dass sich das Ganze ich Laufe des Jahren normalisiert. Mein Abi haben ich mir so vorgestellt, wie glaube ich jeder andere. Mottowoche mit Verkleiden, lauter Musik, Tanzen im Forum, durch die Klassen gehen, mit den Kleinen Spiele spielen. Chaostag am besten mit warmen Wetter, Wasserpistolen, Spielen, Musikwagen, zusammen zum Rathaus gehen. Abiprüfungen ohne Maske. Zeugnisübergabe mit der Familie, Freunde umarmen, Bilder machen. Abiball mit Essen, Tanzen, Musik und mit den Mitschülern unterhalten und den Abend verbringen. Nun hatten wir kein Chaostag, eine Mottowoche in der wir uns netterweise verkleiden durften, aber am besten keine Musik hören und immer auf den Mindestabstand achten mussten. Die Zeugnisvergabe voraussichtlich mit ganz viel Abstand und Maske. Den Abiball kann man quasi nicht planen.
Mein Alltag. Ich sitze am Schreibtisch um zu lernen. Mache ab und zu mal Sport, gehe spazieren und treffe mich vereinzelt mit einer Freundin (natürlich immer die gleiche, da möglichst wenig Kontaktpersonen) Mehr ist ja irgendwie auch nicht möglich. Am meisten fehlt mir definitiv das Reisen, aber auch das Treffen mit der ganzen Familie und mit meinen Freunden einfach mal was zu mehreren zu machen. Außerdem vermisse ich den Handball total, den ich vor Corona mindestens 3 mal in der Woche gespielt habe.
So negativ und dramatisch sich das jetzt alles anhört, was ich oben geschildert habe, kann ich nur sagen, dass es mir noch ziemlich gut geht. Ich hab eine Familie, mit der ich mich super verstehe, meine Freunde mit denen ich hin und her schreibe, bin gesund, habe ein Dach über dem Kopf und keine finanziellen Probleme. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, im Vergleich zu anderen Personen. Klar hat jeder mal nen schlechten Tag, aber auch der geht vorbei 🙂
Reneé Theimann, 18
Als die Schulen zu gemacht haben, stand zuerst die Freude im Vordergrund. Aber sobald es in den Distanz Unterricht ging, habe ich schnell sehr viele Bedenken habt und mir gingen viele Fragen durch den Kopf. Ich hätte jedoch niemals damit gerechnet, dass es wirklich soweit kommt, dass ich in der Q-Phase insgesamt nur etwa 1 Schuljahr im Präsenzunterricht war und so etwas wie die Mottowoche ins Wasser fällt oder der Abiball noch in den Sternen steht.
Ich habe mir mein Abitur natürlich ganz anders vorgestellt als das, was es jetzt ist. Wie viele anderen habe ich mich sehr auf die Zeit der letzten Monate meiner Schulzeit gefreut. Auf die Mottowoche, den Chaostag, den Abiball und was sonst noch alles dazu gehört. Ich wollte die Zeit mit meinen Freunden, aber auch mit meinen Mitschüler*Innen einfach nur genießen. Ich lege nun viel mehr Wert auf die kleinen Dinge, die ich doch noch erleben darf, wie die Pausen. Die “Großen” Dinge, wie Mottowoche, Chaostag usw. sind ein bisschen in den Hintergrund gerückt, da die Zeit, die wir noch alle gemeinsam in der Schule verbringen dürfen, viel wichtiger erscheint. Trotz allem trauere ich natürlich der Mottowoche und so hinterher, denn das ist das worauf ich mich seit 8 Jahren gefreut habe.
Ich merke immer wieder beim Lernen wie uneffektiv der Distanz Unterricht war bzw. ist. Gerade die Themen, die ich mir nur durch Aufgaben und Texte aneignen sollte, sind nicht so präsenz wie, die die man im Unterricht oder in Videokonferenzen zusammen erarbeitet hat. Das nimmt einem dann auch wieder sehr viel Zeit weg, da man manches nochmal komplett neu lernen muss, weil man zu wenig oder nicht ausreichende Materialien hat, die teilweise nicht mal besprochen wurden, sodass man nicht weiß ob man es richtig verstanden hat.
Am meisten fehlt mir die Zeit mit Freunden und Familie, die man in der Zeit einfach nicht sehen kann, da sie einem sehr viel Kraft geben und eine sehr große Stütze sind. Aber auch einen mal ablenken können und vom Schreibtisch holen. An Schönen Tagen spontan an die Lenne gehen mit allen die Zeit und Lust haben, Geburtstage mit Freunden zusammen feiern, Essen gehen und alles andere was momentan eben nicht geht fehlt einem.
Ich versuche so gut es geht optimistisch zu bleiben, auch wenn es mir manchmal echt sehr schwer fällt oder auch einfach nicht gelingt, und mich nicht zu sehr in Aufregung über Maßnahmen und Aussagen rein zu steigern. Anfangs war es anders, aber das raubt einem schon sehr viel Energie, vor allem weil es nichts ändert und die Politik sich nicht wirklich für die Meinung von Schüler*innen interessiert, obwohl wir die sind, die durch die Situation am meisten leiden.